Wie KI zur Kollegin wird: Erkenntnisse von Procter & Gamble zur Zukunft der Teamarbeit
Die digitale Transformation in Unternehmen betrifft nicht nur Technologien und Geschäftsmodelle – sie verändert auch die Art, wie Menschen zusammenarbeiten. Eine neue Studie mit 776 Fachkräften bei Procter & Gamble, durchgeführt in Kooperation mit der Harvard Business School, liefert erstmals robuste Daten dazu, wie generative KI die Zusammenarbeit in Teams beeinflusst – fachlich, emotional und organisatorisch. Die Ergebnisse haben das Potenzial, die Grundlagen der Teamarbeit neu zu definieren.
Hintergrund: Warum diese Studie relevant ist
Teamarbeit ist eine tragende Säule moderner Organisationen. Sie ermöglicht Wissensaustausch, Komplexitätsbewältigung und soziale Motivation. Doch mit dem Einzug generativer KI stellt sich eine grundlegende Frage: Wenn künstliche Intelligenz zunehmend in der Lage ist, Sprache zu verstehen, kreative Vorschläge zu liefern und sogar dialogisch zu agieren – kann sie dann ein funktionales Mitglied eines Teams sein?
Die Studie „The Cybernetic Teammate“ untersuchte diese Frage unter realen Bedingungen – eingebettet in den Innovationsalltag von Procter & Gamble (P&G), einem global agierenden Konsumgüterkonzern mit tausenden R&D- und Commercial-Mitarbeitenden.
Versuchsaufbau: Realitätsnah, skalierbar und fundiert
Im Zentrum der Untersuchung stand ein eintägiger Innovations-Workshop, bei dem alle Teilnehmenden reale Produktentwicklungsaufgaben aus ihrem eigenen Geschäftsbereich bearbeiten sollten. Die Aufgaben waren praxisnah: Entwicklung neuer Produkte, Verpackungsideen, Kommunikationsmaßnahmen oder Retail-Konzepte.
Die Teilnehmenden wurden nach dem Zufallsprinzip in vier Gruppen aufgeteilt:
- Einzelpersonen ohne KI
- Teams (R&D + Commercial) ohne KI
- Einzelpersonen mit KI (GPT-4 via Microsoft Azure)
- Teams mit KI
Bewertet wurden die eingereichten Lösungen hinsichtlich Qualität, Innovationsgrad, Umsetzbarkeit, fachlicher Balance und emotionaler Auswirkungen auf die Teilnehmenden.
Kernergebnisse: KI als funktionale Teamergänzung
Die Ergebnisse des Experiments liefern nicht nur Schlaglichter, sondern ein neues Verständnis dafür, wie sich Leistung, Expertise und Zusammenarbeit im digitalen Zeitalter transformieren. Besonders relevant für Unternehmen: KI wirkt nicht nur als Werkzeug – sondern als aktiver Mitgestalter von Prozessen, Beziehungen und Ergebnissen.
1. Leistungsfähigkeit: KI kann Teamleistung ersetzen
Einzelpersonen mit KI erzielten Ergebnisse, die qualitativ gleichauf mit Teams ohne KI lagen. Im Durchschnitt lag der Qualitätsgewinn gegenüber der Kontrollgruppe (Einzelpersonen ohne KI) bei 0,37 Standardabweichungen. Auch der Zeitaufwand war reduziert – rund 16 % weniger Arbeitszeit wurde benötigt.
2. Expertise: KI überwindet funktionale Silos
Normalerweise bleiben R&D-Fachkräfte in ihrer technischen Denkweise, während Commercial-Profile markt- und kundenorientiert denken. Diese Unterschiede spiegelten sich deutlich in den Vorschlägen der Gruppen ohne KI wider. Doch mit KI verschwanden diese Muster: Die generierten Lösungen waren fachlich ausgewogener – unabhängig vom beruflichen Hintergrund der Nutzenden.
3. Emotionale Resonanz: KI motiviert
Erwartungsgemäß zeigte Teamarbeit ohne KI positive Effekte auf die emotionale Befindlichkeit. Interessanterweise berichteten aber auch Einzelpersonen mit KI signifikant höhere Werte bei positiven Emotionen (z. B. Begeisterung, Energie) und niedrigere Werte bei negativen Emotionen (z. B. Frustration, Überforderung) als die Kontrollgruppe. Die KI wurde offenbar nicht nur als funktional nützlich, sondern auch emotional unterstützend empfunden.
4. Spitzenleistung: Kombination aus Team und KI
Die höchste Wahrscheinlichkeit, eine Lösung unter den besten 10 % zu platzieren, hatten Teams mit KI. Sie lieferten überdurchschnittlich viele Ideen mit hohem Innovationspotenzial – rund 15 % ihrer Lösungen gehörten zur Top-Gruppe. Zum Vergleich: Bei der Kontrollgruppe waren es nur rund 6 %.
Strategische Perspektiven für das Top-Management
Diese Erkenntnisse stellen zentrale Annahmen zur Teamarbeit infrage – und eröffnen neue Gestaltungsmöglichkeiten:
- Organisationsdesign neu denken: Wenn Einzelpersonen mit KI auf Teamniveau arbeiten, könnte das zu neuen Teamgrößen und effizienteren Ressourcenzuordnungen führen.
- Skillentwicklung priorisieren: Die Unterschiede in der Nutzung und Wirkung der KI zeigen, dass Prompt-Kompetenz zur Schlüsselqualifikation wird.
- Fachgrenzen auflösen: KI kann als Brücke zwischen Business und Technologie wirken. Organisationen sollten dies nutzen, um abteilungsübergreifende Innovation zu fördern.
- Soziale Rolle der KI gestalten: Dass KI auch emotionale Benefits liefern kann, sollte in der Gestaltung digitaler Arbeitsumgebungen berücksichtigt werden.
Ein neues Verständnis von Zusammenarbeit
Die Studie zeigt: Generative KI ist kein weiteres Softwaretool. Sie interagiert mit Sprache, beeinflusst Denkprozesse, erweitert Perspektiven und erzeugt emotionale Resonanz. Sie wird damit zum cybernetischen Teammitglied, das Arbeitsprozesse mitgestaltet – inhaltlich, strukturell und sozial.
Für Unternehmen bedeutet das: Zusammenarbeit muss neu gedacht werden. KI-gestützte Kollaboration erfordert neue Routinen, Rollen und Kompetenzen. Wer diese Transformation proaktiv gestaltet, schafft nicht nur Effizienz – sondern echte Innovationskraft.
Quelle:
The Cybernetic Teammate: A Field Experiment on Generative AI Reshaping Teamwork and Expertise
2025 HBS Working Paper Series
Autoren: Fabrizio Dell’Acqua, Charles Ayoubi, Hila Lifshitz, Raffaella Sadun, Ethan Mollick, Lilach Mollick, Yi Han, Jeff Goldman, Hari Nair, Stew Taub und Karim R. Lakhani, Fabrizio Dell’Acqua, Charles Ayoubi, Hila Lifshitz, Raffaella Sadun, Ethan Mollick, Lilach Mollick, Yi Han, Jeff Goldman, Hari Nair, Stew Taub and Karim R. Lakhani
Auch Interessant:
27. November 2023
KI-Konferenz: Viele Häppchen des großen Kuchens
Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr…
13. Juni 2022
Rhetorik: Worauf ist zu achten? Säulen und Fallstricke
Unter Rhetorik versteht man die Kunst der Rede.…
1. März 2018
IT Klub Mainz & Rheinhessen: Das war gestern neu
.site-title h1 { font-size: 3rem; }.post-content…
21. Februar 2018
Was hat ein Interview mit einem Sandwich zu tun?
Ja, das ist eine gute Frage. Wie lautet die…