KI-Kamera Paragraphica „fotografiert“ den Standort: Mehrwert statt Hype?

Ganz ohne Licht und Objektiv – Die von dem dänischen und in Amsterdam lebenden Interaktionsdesigner Bjørn Karmann realisierte KI-Kamera Paragraphica sorgt aktuell auf Twitter und Co. für Aufsehen. Diese Kamera schafft, es einen Text-Absatz mithilfe einer „Text-zu-Bild-KI“ in ein Foto umzuwandeln.

Das kann die KI-Kamera Paragraphica

Paragraphica ist eine Kontext-zu-Bild Kamera. Sie erzeugt mithilfe von künstlicher Intelligenz bzw. Text-zu-Bild-Generatoren und Standortdaten ein Foto des ausgewählten Ortes. Als Ergebnis erhält man ein Bild davon, wie die KI sich den Ort vorstellt.

In dem 3D-gedruckten Gehäuse ohne Objektiv des physischen Prototyps der Kamera befindet sich unter anderem ein Mini-Rechner (Raspberry Pi) und ein Touchscreen.

Anstelle des Objektivs befindet sich als optischer Gag das Riechorgan des Sternnasenmaulwurfs. Mit der Nase riecht und tastet das Tier und nimmt sogar elektrische Reize wahr.

Die Paragraphica verfügt dafür über drei physische Regler. Mit diesen Reglern können die Daten und diverse KI-Parameter gesteuert werden, womit das Erscheinungsbild des jeweiligen Motivs beeinflusst werden kann. Die Bedienung ähnelt somit stark einer herkömmlichen Kamera.

Mit dem ersten Regler wird der Radius in Metern bestimmt, in dem die Kamera nach Orten und Daten sucht. Der zweite Regler erzeugt ein Rauschmuster für den KI- Bilddiffusionsprozess. Dieser Regler ist mit dem Filmkorn vergleichbar. Dabei handelt es sich in der herkömmlichen Fotografie um die kleinsten Strukturen des entwickelten Films, die erst bei starker Vergrößerung gut sichtbar werden.

Der letzte Regler steuert die Führungsskala. Je höher die Führungsskala ist, umso genauer folgt die KI dem Absatz. Je höher der Wert also ist, umso „schärfer“ ist das Foto.

Gemäß dem Entwickler fangen die erzeugten Bilder „einige Stimmungen und Emotionen ein, die an den Ort erinnern, aber auf eine unheimliche Art und Weise, denn die Fotos sehen nie genau so aus wie dort, wo ich mich befinde“.

KI-Kamera Paragraphica (Bjoern Karmann)
KI-Kamera Paragraphica (Bjoern Karmann)

Wie können Sie die Paragraphica nutzen?

Die Kamera kann virtuell über die Paragraphica-Seite im Browser genutzt werden, sobald der Standortzugriff erlaubt wurde.

Paragraphica sammelt über das Internet mit offenen APIs (Application Programming Interface) Daten von dem jeweiligen Standort. Bei APIs handelt es sich um Programmierschnittstellen, die genutzt werden, um Drittprogramme auf Quelltext-Ebene an eine Software anzubinden. Bei der Paragraphica werden die Koordinaten, die Tageszeit, das Wetter, die Temperatur sowie umliegende Gebäude, Geschäfte oder Landmarken verwendet. Dieser Datenaustausch per API erfolgt in Echtzeit.

Aus diesen Daten erstellt die Kamera einen Text-Absatz, der den aktuellen Ort wiedergibt.

Falls Sie keinen Text-zu-Bild-Generator nutzen und zahlen wollen, bietet der Erfinder Bjørn Karmann das Generieren der Bilder gegen eine Gebühr direkt auf seiner Seite an. Herr Karmann verwendet dabei die Bild-KI Stable Diffusion. Dabei handelt es sich um ein Text-Bild-Diffusionsmodell, welches Texteingaben in fotorealistische Bilder generiert.

Beispielbild (Bjoern Karmann)
Beispielbild (Bjoern Karmann)

Der Begriff „KI-Kamera“

Der Begriff der künstlichen Intelligenz ist mittlerweile weit verbreitet und nicht immer klar definiert. KI ist nicht gleich KI. Ebenso verhält es sich mit dem Begriff KI-Kamera. Die Paragraphica erzeugt keine reale Abbildung, ganz anders verhält es sich jedoch mit den folgenden KI-Kameras:

Im März dieses Jahres hat zum Beispiel das Unternehmen Synology KI-Kameras vorgestellt. In deren Kameras sei eine integrierte KI, die Datenschutz gewährleiste und schnelle sowie zuverlässige Warnungen sende. Weiter wird geworben mit „Funktionen wie Personen-, Fahrzeug- und Eindringungserkennung sowie Instant Search“. Diese KI-Kamera erzeugt demnach ein reales Bild und erkennt mögliche Gefahren.

Darüber hinaus testet zum Beispiel auch die Polizei KI-Kameras, die für mehr Sicherheit sorgen sollen. Diese KI-Kameras können atypische Bewegungsmuster erkennen, darunter zum Beispiel Fallen, Taumeln, Treten oder auch schon eine defensive Körperhaltung. Bei Feststellung einer dieser Bewegungsmuster wird die Polizei informiert. Ein Beamte entscheidet dann nach Sichtung der Bilder, ob eine Streife losfahren soll oder nicht.

KI-Kamera Paragraphica: Mehrwert oder Hype?

Der vorherige Abschnitt hat gezeigt, dass KI-Kameras unterschiedliche Funktionen abdecken können und somit auch einen unterschiedlichen Mehrwert bringen. Wie verhält es sich mit der KI-Kamera Paragraphica – bringt sie einen echten Mehrwert oder handelt es sich nur um einen Hype?

Offensichtlich ist, dass die KI erzeugten Fotos über einen herkömmlichen Schnappschuss hinaus gehen. Vielmehr handelt es sich um eine visuelle Interpretation von Daten eines Ortes.

Die Paragraphica zeigt die Sicht der KI, eine Sicht, die andere KI-Kameras bisher noch nicht abbilden konnten. Der Mensch liefert dafür die entsprechenden Daten und beeinflusst somit das Bild mit.

Bei der Paragraphica wurde letztendlich auch ein anderer Schwerpunkt gelegt als zum Beispiel bei einer KI-Kamera im Polizei-Einsatz. Der Hype ist also schonmal gerechtfertigt, da am Ende interessante Fotos entstehen.

Doch auch ein echter Mehrwert wird geboten. Durch die KI-Kamera kann eine Welt erlebt werden, die die visuelle Wahrnehmung übersteigt. Es wird ein Einblick aus der Sicht einer anderen Intelligenz ermöglicht.