„Welche Aufgaben sollte Künstliche Intelligenz übernehmen?“ Zwei Vorschläge und ein Gedanke.
Es vergeht kein Tag, an dem man nicht liest, welche umwälzenden Neuigkeiten KI nun leistet. Jedes mal aufs Neue bin ich mindestens zehn Sekunden lang verblüfft. Dann setzt jedoch mein Denkprozess wieder ein und ich frage mich oft, welche Marketingabteilung da mal wieder ungebremst und ungeprüft publizieren durfte. Zwei News aus dieser Woche möchte ich stellvertretend vorstellen. Eine davon ist von der ungebremsten Sorte, die andere ist wirklich interessant.
„Welche Aufgaben sollte Künstliche Intelligenz übernehmen?“
Vorab möchte ich noch kurz ein paar Worte zu einem Artikel von Jule Spandick im Capital verlieren. Der Artikel aus dem Juni 2019 ist eine gute Einleitung, sieht man sich die Empfehlung an, welche Aufgaben Frau Spandick der Künstlichen Intelligenz gerne übertragen möchte.
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Juristische Begutachtung
>> Das israelische StartUp Lawgeex schaffte es 2018 „einen Vertrag schneller und präziser zu analysieren als 20 US-amerikanische Anwälte.“. Wer also bei einem Vertrag an verschiedenen Stellen unsicher ist, der möge doch einfach die KI fragen, was von dem Vertrag zu halten ist.
Leider bietet eine solche Lösung zum Sentence-Picking keine Garantie, keine wichtige Falle im Vertrag zu übersehen. Ob hier die Zeitersparnis wirklich eine gute Idee ist… Ich weiß es nicht.
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Buchhaltung
>> Zitiert wird ein Advertorial von KPMG auf gruenderszene.de. „Vorschläge für Buchungssätze“ und „die Bilderkennungsrate von Rechnungen auf bis zu 99,9 % erhöhen“ werden auf gruenderszene.de genannt.
Das sind alles recht profane technische Disziplinen sind, die bislang schon recht gut gelöst sind. Da ist noch keine große Innovation zu erkennen. Wieder einmal wird aus „automatisierter Belegverarbeitung“ schnell „Künstliche Intelligenz“ oder „Machine Learning“.
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Schriftkontakt
>> Künstliche Intelligenz liest unsere Mails, beantwortet diese gleich, leitet sie weiter… Eventuell kann „KI irgendwann unsere Telefonate führen“.
Schade, dass hier übersehen wird, dass jede Kommunikation mit Geschäftspartnern eine Chance ist, die Bindung zu erhöhen und die Beziehung zu pflegen. Diese Aufgabe möchte ich keiner Maschine überlassen. Stellen Sie sich vor, ein Zitat in der Mail des Kunden wird als Aussage interpretiert und missgedeutet… Ja, eine Zeitersparnis bringt das vordergründig. Ich finde, dass man sich so eher Chancen vergibt.
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Ordnung halten
>> Das Datenchaos auf dem Computer beseitigen soll KI, Verträge in Ordner schieben oder alte Dokumente löschen, endlich Ordnung auf dem Desktop.
Wer heutzutage professionell arbeitet, legt seine Dokumente garantiert nicht auf dem Desktop ab, sondern nutzt zumindest sein Share auf dem wohlorganisierten Server. Dazu braucht es keine KI, sondern Disziplin. Wer in einem größeren Unternehmen arbeitet, nutzt ein Enterprise Content Management System. Dazu braucht es keine KI, sondern man muss nur beginnen, die bereits bestehende Software auch zu nutzen. Man muss halt mal nen Augenblick nachdenken, bevor man „Geil“ schreit.
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Brainstorming
>> KIs erstellen Kunstwerke, die teuer verkauft werden, oder schreiben Musikstücke. Meetings werden massiv verkürzt oder überflüssig gemacht.
Die Kinder des Hype nehmen sicher manchmal ungewöhnlich Formen an. Gönnen wir den Gadgetfreeks ihre KI-Kunstwerke. Überflüssige Meetings abschaffen? Das könnten wir Menschen selbst, wenn wir nur den Mut hätten, uns die Unnötigkeit des Meetings einzugestehen.
Please unhype this word
Mit der KI lässt sich offenbar jedes Unternehmen aufschließen und Umsatz generieren. Das haben die Berater aller Couleur erkannt. Jedes technische Verfahren läuft heutzutage Gefahr, als „Künstliche Intelligenz“ oder „Machine Learning“ neu gedacht zu werden. Die Schläuche sind neu, der Wein ist alt. Wobei alter Wein ja nicht schlecht sein muss…
Mein Wunsch wäre es, mehr zwischen tatsächlichen Innovationen und Neuabfüllungen zu unterscheiden. Nachfolgend zwei Beispiele, die mir begegneten.
GPT-3: der AI-Textgenerator kann Texte verfassen
Auf T3N konnte man lesen, dass das Forschungslabor OpenAI seine Private Beta von GPT-3 gestartet hat. GPT-3 ist ein KI-gestützter Textgenerator, den wir schon seit seiner Vorgängerversion auf dem Schirm haben.
Die Frage ist nicht, ob wir unsere Redaktion künftig durch Maschinen ersetzen wollen. Die Frage ist eher, ob man einen perfekten Text (so liefert ihn unsere Redaktion täglich) nicht mechanisch vervielfältigen lassen kann.
Wo benötigt man dies? Zum Beispiel bei einer Seeding-Kampagne, welche über z.B. zehn Online-Magazine ausgerollt wird. Der gleiche Inhalt wird dann zehn Mal benötigt, muss jedoch stets neu verfasst werden.
Unsere Redaktion entwickelt hier stets zuerst das Masterdokument. Diesen Arbeitsprozess werden wir nie einer Maschine überlassen. Von diesem Masterdokument wird sodann neun mal (oder öfter) eine weitere Fassung verfasst. Hier könnte KI sicher viel leisten.
Dem Artikel ist auch zu entnehmen, dass GPT-3 bereits ein höchst anspruchsvolles Dokument erzeugt hat. Leider hat es den Sinn und Inhalt des Ausgangsdokuments völlig verfremdet. Damit hat OpenAI sein Produkt erneut verbessert – und hat die Nase vorn. Leider kann sich der Roboter noch nicht auf die gestellte Aufgabe konzentrieren…
Business Analytics per KI
Heute mittag erreichte mich dieser Post auf LinkedIn. Natürlich ist der Beitrag nicht ganz ernst zu nehmen. Doch ganz weit ab von der Realität ist er auch nicht. Mein Eindruck ist es tatsächlich, dass wir uns oftmals von wohlklingenden BuzzWords blenden lassen. Mir als Informatiker fallen natürlich die vielen KI-freien Produkte recht schnell auf, die mit dem KI-Label nur allzu gern vermarktet werden. Es gibt aber mit Sicherheit andere BuzzWords, denen ich auch auf den Leim gehe.
Der LinkedIn-Post könnte uns alle ermuntern, den nächsten Hype mal zu hinterfragen. Können wir nicht selbst darauf kommen, der jungen Generation Hosenträger mit gutem Marketing als ein Must-Have vorzustellen? Dazu braucht es noch keine KI, sondern Kreativität, gute Ideen.
Just my two cents…
Ihr Hans-Jürgen Schwarzer
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